Das 9. Weltwunder in High Heels

Veröffentlicht auf 23. Januar 2015

Das 9. Weltwunder in High Heels

Vorsicht SATIRE!

Was schenkt man(n) einer schönen Frau zu ihrem Geburtstag?

Ein Schmuckstück oder Diamanten? Bin ich Boris Becker in Tennissocken?

Theaterkarten, Museumsbesuch und Restaurant? Selbstverständnis für einen Mann von Welt; keiner besonderen Erwähnung wert!

Ein Küchengerät? Vorsicht … könnte als Hintergedanken gewertet und mit Küchendienst nicht unter einem Jahr geahndet werden … Finger weg! Ebenso bei Dessous oder irgendwelchen Toys …

Ich hatte es plötzlich. Einen Shoppingnachmittag!

Frau plus Schuhe plus neues Abendkleid (für Restaurant, Museum, Theater – meine Herrn, wir erinnern uns … s.o.!).

Normalerweise zieht meine Schöne mit ihren besten Freundinnen los, gut gelaunt und mit meiner Sparkassenkarte.

Nun dachte ich mir, es wäre doch eine gute Idee, mich als Berater, Liebhaber, Packesel, Tütenorganisator etc. zur Verfügung zu stellen. Einen Nachmittag werde ich ja wohl lebend und ohne bleibende Schäden überstehen können. Also bastelte ich aus Schuhkarton und einer alten Diortasche einen hippen Gutschein mit der Aufschrift:

Mein Liebling,

zu Deinem Schlüpftag alles Gute.

Ich bin zu allem bereit.

Verfüge über mich einen Nachmittag

in der Fußgängerzone zu Bottrop

nach Deinen Gutdünken und solange

Du willst!

(dieser letzte Halbsatz würde sich noch als böser, als sehr böser Fehler erweisen).

In Liebe,

Dein Erdferkelchen

Es nahte jener Festtag und das Leuchten in ihren Augen verriet, dass ich richtig lag. Bis auf meine kreative Verarbeitung der Dior-Tasche, die sie erst im letzten Jahr in Paris erworben hatte; ich dachte, es wäre vor zwei Jahren gewesen - wohl ein Irrtum!

Das Leuchten verwandelte sich in ein Blitzen; ich konnte es noch aus meinem Augenwinkel wahrnehmen, wie an jenem Tag, als ich ihre Lieblingsohrringe als Überbrückungshilfe für ein Relais meiner Modelleisenbahn auslieh. Jetzt war es zu spät! Ein Gutschein, ein Schicksal, kein Zurück mehr, es sei denn, ich würde mich vor einen LKW werfen? Unsinn! Das wäre Feigheit vor der ultimativen Herausforderung in einer Extremsituation, ähnlich dem Bungee-Springen vom Kölner Dom. Also auf nach Bottrop! Schnell, so schien es, hatte sie fünf Stationen im Kopf, wo ich schon einen Einkaufzettel brauche. Und sie steuerte ohne jegliche Navigationshilfe durch die F-Zone als wäre sie drei Jahr dort Taxi gefahren. Ich jedenfalls hätte mich schon dreimal verlaufen und Passanten um Hilfe gebeten. Drei Schmuckgeschäfte: in einem kaufte sie Ohrringe mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, in einer Edelboutique ein Abendkleid mit einem seligen Lächeln, als hörte sie die himmlischen Heerscharen bei der Uraufführung und als abschließende Krönung? Natürlich, das neue Damenschuhgeschäft, das vor drei Wochen eröffnete – ein Träumchen für jede Frau. Ich zockelte beladen mit Tüten, Päckchen und Taschen hinterher wie weiland die Dienerschaft ihrer Majestät, nur dass im 17. Jahrhundert ein Diener je Tüte vorgesehen war. Erschöpft erreichte ich jenen Laden, in der mein Liebling wie ein gern gesehener Engel begrüßt wurde und mit einem Kaffee. Mir warf man abschätzige Blicke zu, wie für das niedere Personal vorgesehen. Weder Kaffee, noch einen dieser kleinen Kekse. Wahrscheinlich würde gleich der homosexuell orientierte Dekorateur eintreffen und mich irgendwie als Element in die Schaufensterszenerie einbauen und ich würde tagelang unbemerkt mit Tüten und Päckchen dort stehen, stoisch, bis meine Herzdame sich meiner unbedeutenden Existenz erinnerte… Ich würde noch stammeln können, dass dies ein Missverständnis sei, aber der schwule Dekorateur würde abwinken und „Unsinn!“ raunen und mit künstlerischer Freiheit mich in der Sommerkollektion quasi verschwinden lassen.

Und so kam er denn auch, mit einem überlegenen Blick, irgendwas murmelnd von der Notwendigkeit eines neuen Sakkos mit passendem Hemd, und überhaupt – diese Schuhe gingen ja gar nicht, ob ich diese aus der Steinzeit herübergerettet hätte – lotste er mich, nicht ins Schaufenster, sondern in den großen Lagerraum. Tausende, abertausende von Kartons in Regalen. Und dort stand ich nun. Mit den Tüten und Päckchen. Kein Kaffee, nicht einmal „ein kleiner Feigling“ oder ein kleiner Keks. Der junge Mann verschwand erhobenen Hauptes mit der Schnelligkeit eines durchtrainierten Leichtathleten. Ich wartete, und wartete … die Zeit verging, oder anders: sie verging eben nicht. So stellte ich mir die Vorhölle vor,

an die Katholiken noch heute glauben. Einsam inmitten von Schuhkartons: das Fegefeuer für Männer jedenfalls, die stets Frauen auf High-Heels verehrten, statt verstaubte Heiligenbilder.

Das war nun die Strafen für alle meine Sünden.

Doch ich wäre nicht ein Mann, wenn mir in solchen Situation nicht eine kreative Möglichkeit einfiele. Hatte ich nicht als Junge mit Bauklötzen gespielt und von einer Karriere als Ingenieur mit Weltruf geträumt? Einer, der Häuser, Brücken, ganze Städte erbaut? Ist nicht jeder Mann ein verkanntes Genie und steckt nicht in jedem von uns ein Leonardo Da Vinci?

Also baute ich … aus Schuhkartons und High-Heels … Türme, Plätze, Arenen … die Zeit verging im Fluge, und keine Frau, kein schwuler Dekorateur, der mich störte oder maßregelte. Ich war so frei und unbeschwert …

Und dann kam er, der junge Mann - der Adonis der Schusterinnung. Seine Augen weiteten sich verwundert als er mich sah inmitten meines 9. Weltwunders, ein Glänzen ging von meinem Gesicht aus und ich erwartete ein anerkennendes Lächeln. Stattdessen stürzte er aus dem Raum und stolperte über meine Studie des Pariser Eifelturms aus Damensandaletten.

Ich hörte im Hintergrund die Lautsprecherdurchsage: "der Herr im Lagerraum will dringend von seiner Begleiterin von dort abgeholt werden. Sofort!" Die Stimme klang irgendwie, na ja – nicht sehr freundlich. Meine Herzdame erschien mit einem finsteren Blick und zischte irgendwas von: „ … nicht fünf Minuten alleine lassen.“ Und „Wir gehen! Abmarsch!“. Wehmütig ließ ich den Ort meiner Kunst zurück. „Hast Du etwas Nettes gefunden, Schatz“? wollte ich einlenken. „Nein! Komm!“ war die Antwort, und es lag eine gewisse Verstimmung in ihr. So viel konnte ich noch raushören. Aber ich war beseelt. Nie war der Schuheinkauf ein solch erfülltes Ereignis, eine Offenbarung. Ich zehrte noch wochenlang von diesem Nachmittag. Es war ein schöner Geburtstag – auch wenn an diesem Abend das Bett seltsam kalt blieb. Ihr taten die Füße weh.

©Thomas Bernhard Braun2014

Geschrieben von NovalisNew

Veröffentlicht in #Literatur, #Kolumne, #Satire, #Humor

Repost0
Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post
G
mir gefällt der Name "Schlüpftag" sehr gut, hab ich noch nie gehört und habe demnach auch etwas Nettes gefunden :)))
Antworten
N
:-)
J
Herrlich, toll geschrieben :-D
Antworten
N
Vielen Danke, Jutta!
J
Kreative Männer werden ... leider ... oftmals verkannt ...<br /> Herrlich zu lesen !
Antworten
N
Danke Jule ... es soll auch ein paar kreative Männer irgendwo gesichtet worden sein, die geistreiche Frauen schätzen ;-)
S
Moin Thomas, schöne Bescherung :-D
Antworten
S
*freu ☺
N
Moin Sabine;<br /> Schön, dass Du vorbei geschaut hast - und herzlichen Glückwunsch; Du bist die Erste :-)